„Wer führen will, muss länger bleiben.“ Dieser unausgesprochene Leitsatz prägt bis heute viele Führungsetagen. Doch ich frage mich, ob dieses Denken noch zur Arbeitswelt 4.0 passt – einer Welt, in der Vereinbarkeit, Diversität und Agilität zentrale Werte sind?

Überstunden in Führungspositionen gelten vielerorts noch als Statussymbol. Doch die Kehrseite ist fatal: Eltern, vor allem Frauen und Menschen mit Pflegeverantwortung bleiben außen vor. Wir werfen einen Blick auf Zahlen, Denkfehler – und moderne Führungsansätze, die echte Wirksamkeit ohne Dauerstress ermöglichen.


Was sind Überstunden in Führungspositionen – und warum sind sie so verbreitet?

Überstunden entstehen, wenn mehr gearbeitet wird, als laut Arbeitsvertrag oder gesetzlicher Regelung vorgesehen ist. In Führungsetagen sind sie oft stillschweigend inkludiert – eine „unsichtbare“ Mehrleistung, die weder vergütet noch zeitlich kompensiert wird.

Gründe dafür sind vielfältig:

  • Leistungsdenken: Wer viel arbeitet, zeigt Engagement – so die Annahme.
  • Signalwirkung: „Ich bin immer da“ wird als Vorbild verstanden.
  • Selbstausbeutung: Viele Führungskräfte verwechseln Verantwortung mit Selbstaufgabe.

Aber ist diese Dauerpräsenz wirklich ein Zeichen guter Führung?


Warum viele Überstunden in Führung nicht gleich gute Führung bedeuten

Statistik Austria zeigt: Je höher die berufliche Stellung, desto häufiger und länger die Überstunden. Führungskräfte in Österreich arbeiten im Schnitt 45 bis 50 Stunden pro Woche – Tendenz steigend. Gleichzeitig wächst der Wunsch nach Work-Life-Balance und Teilzeitmodellen, auch auf Führungsebene.

Problematisch wird es, wenn Überstunden nicht aus Verantwortung, sondern aus Strukturen entstehen:

  • Meetings nach 17 Uhr
  • E-Mails am Wochenende
  • Kein Delegieren, weil „alles durch die Führung muss“

Das ist meiner Meinung nach kein Führungsstil – das ist ein Systemfehler.


Was moderne Führung heute wirklich ausmacht

Wirkungsvolle Führung zeigt sich nicht an der Präsenzzeit, sondern an Klarheit, Vertrauen und Wirksamkeit. Der bekannte Rhetoriktrainer Wladislaw Jachtchenko betont:

„Eine starke Führungskraft erkennt man nicht daran, wie laut oder wie lange sie arbeitet – sondern daran, wie sie Einfluss nimmt, ohne zu dominieren.“

Moderne Führung bedeutet:

  • Verantwortung teilen statt Aufgaben horten
  • Selbstführung leben statt Überforderung demonstrieren
  • Verfügbarkeit dosieren statt dauerpräsent sein

Führungskräfte, die sich Pausen erlauben, Prioritäten setzen und ihr Team stärken, wirken authentischer, nachhaltiger und attraktiver – auch für neue Talente.


5 Schritte für weniger Überstunden – mehr Führungsqualität

1. Führung neu definieren

Weg vom Mythos „Führen heißt Aufopferung“. Stattdessen: Führen heißt Rahmen schaffen, Orientierung geben und Menschen stärken.

2. Zeiten sichtbar machen

Erfasse deine tatsächlichen Arbeitszeiten. Wo entstehen Zeitfresser? Was kannst du delegieren?

3. Prioritäten setzen

Was bringt deinem Unternehmen wirklich Mehrwert? Fokussiere dich auf Wirkung, nicht auf Beschäftigung.

4. Teamkompetenz fördern

Nutze die Fähigkeiten deiner Mitarbeitenden. Verantwortung zu teilen ist kein Kontrollverlust – sondern ein Zeichen von Vertrauen.

5. Vorbild sein

Wer als Führungskraft gesunde Grenzen lebt, ermutigt andere, dasselbe zu tun.

Du möchtest mehr über gesundes Führen erfahren? Dann lies diesen Artikel: Gesundes Führen: Wie du ein positives Teamklima gestaltest.


Mindset, das viele Führungskräfte (noch) haben – und wie man es verbessert

Roter GedankeGrüner Gedanke
„Ich muss alles selbst machen.“„Ich bin dann wirksam, wenn ich delegiere.“
„Ich darf nicht früher gehen.“„Ich bin Vorbild für gesunde Selbstführung.“
„Überstunden zeigen, dass ich gebraucht werde.“„Ich bin dann gut, wenn mein Team eigenständig agiert.“

Praxisbeispiel: Führungskraft in der Teilzeit – ein Widerspruch?

Ein Tiroler KMU hat kürzlich eine Führungsposition in 30 Wochenstunden ausgeschrieben – bewusst. Die Geschäftsführung wollte Diversität und Vereinbarkeit fördern. Ergebnis: Eine Mutter zweier Kinder übernahm die Rolle – und überzeugte mit Fokus, Klarheit und Teamorientierung.

Das Unternehmen profitiert doppelt: motivierte Mitarbeitende und ein Image als familienfreundlicher Arbeitgeber.


Fazit: Führung neu denken heißt Überstunden entkoppeln

Wir stehen an einem Wendepunkt. Überstunden in Führungspositionen sind kein Maßstab mehr für Kompetenz – sondern ein Hinweis auf veraltete Strukturen. Wenn wir Führung neu denken, gewinnen wir:

  • Mehr Raum für Vielfalt in Führungsetagen
  • Höhere Arbeitgeberattraktivität
  • Nachhaltigere Gesundheit der Führungskräfte selbst

Frage an dich: Wie möchtest du in Zukunft führen – durch Vorbild oder durch Dauerpräsenz?


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